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Die Schlacht um Wien - Zeitzeugenbericht von Kurt Motlik
KRIEGSZEIT
Der 2. Weltkrieg in der Heimat
Die Schlacht um Wien
Schon im Verlauf des Krieges bildeten sich geheime Widerstandsgruppen. Eine davon, wahrscheinlich die größte und wichtigste, nannte sich „O5“. Dies war die Signatur für das Wort „Österreich“. Die Ziffer 5 bedeutete den 5. Buchstaben im Alphabet, nämlich E, woraus sich die Bezeichnung „OE“ ergab. Es war eine Widerstandsgruppe aus den Reihen der Deutschen Wehrmacht, die auch beim Attentat auf Hitler am 20.7.1944 beteiligt war. Den militärischen Widerstand in Österreich leitete Major Erich Szokoll, der dem Wehrkreiskommandanten von Wien, General Bünau, direkt untergestellt war. Nachdem Wien am 2.4.1945 zur „Festung“ und nicht zur „Offenen Stadt“ erklärt wurde, konnte man absehen, dass fürchterliche Straßenkämpfe mit vielen Toten und weitere Zerstörungen die Folge sein werden. Um dies möglichst zu verhindern, entsendete Major Szokoll einen Mann seines Vertrauens, den Oberfeldwebel Ferdinand Käs, an die südlich von Wien verlaufende Front, um mit der Roten Armee Kontakt aufzunehmen. Er schlug sich trotz größter Lebensgefahr durch die deutsch-sowjetische Hauptkampflinie und es gelang ihm am 4.4.1945, im Auftrag von „O5“ mit dem kommandierenden General der Sowjets in Hochwolkersdorf (Bucklige Welt in Niederösterreich) Kontakt aufzunehmen und Vorschläge für eine schonende Eroberung Wiens zu überreichen. In einem Abkommen garantierte die Rote Armee, diesen Wunsch nach Möglichkeit zu respektieren. Doch am 6.4.1945 wird dieser Plan an die SS verraten. Major Szokoll konnte rechtzeitig untertauchen, aber 3 Offiziere von „O5“ wurden verhaftet und am 8.4.1945 in Wien als „Verräter“ öffentlich gehenkt. Es waren dies die gebürtigen Österreicher Major Karl Biedermann, Hauptmann Alfred Huth und Oberleutnant Rudolf Raschke. Kurz vorher wollten sie verhindern, dass die deutsche Artillerie vom linken Donauufer aus den Stefansdom zerstört.
Die eigentliche Schlacht um Wien begann am 6.4.1945, als die Rote Armee vom Osten, Süden und Westen in die Stadt eindrang. Da Wien für den weiteren Verlauf des bereits verlorenen Kriegs strategisch eine besondere Bedeutung hatte, wurden starke Verbände von SS-Eliteeinheiten zur Verteidigung der Stadt eingesetzt, wobei es zu erbitterten Straßenkämpfen und Panzerschlachten kam. Trotz Parolen, wie „Totaler Krieg, totaler Sieg“ oder „Kapitulation niemals“ zog sich die Zivilbevölkerung in die Hauskeller oder Luftschutzräume zurück, um so das Überrollen durch die Kriegswalze zu überleben. Laufend wurden alle Gebäude von SS-Streifen nach Fahnenflüchtigen durchsucht, um die entweder gleich zu erschießen oder sie an die Front zu jagen.
Nach dem Rückzug der deutschen Truppen entstand kurzzeitig ein gesetzloser Zustand, der von Teilen der Bevölkerung dazu benützt wurde, Geschäfte und Warenlager zu plündern.
In ganz Wien war Kanonendonner zu hören, da auch die Flakbatterien der Stadt in die Erdkämpfe eingriffen. Überall wurde erfolglos versucht, mit Barrikaden und Straßensperren den Vormarsch der Roten Armee zu verhindern. Dies gelang nur kurzzeitig im Stadtkern von Wien, der besonders stark umkämpft war.
Die deutschen Truppen wurden nach Norden abgedrängt und versuchten, am linken Donauufer Befestigungen zu errichten, nachdem sie alle Donaubrücken, außer der Reichsbrücke, gesprengt hatten. Wien lag nun von beiden Seiten unter starkem Artilleriefeuer, wobei auch der Stefansdom mehrmals getroffen wurde und teilweise ausbrannte. Unterdessen sorgte die Rote Armee am rechten Donauufer für genügend Nachschub, übersetzte kämpfend mit Pontonschiffen die Donau und schlug die Deutschen in die Flucht. Lediglich in der Nacht zum 13.4.1945 kam es im Stadtgebiet links der Donau noch zu einer schweren Panzerschlacht. Dies war aber der letzte, bedeutende Widerstand, den die Deutschen der Eroberung Wien entgegensetzen konnten.
Am 13.4.1945 hatte die Rote Armee unsere Stadt endgültig eingenommen. Die „Schlacht um Wien“ war damit zu Ende. Bei diesen Kämpfen wurden neben unzähligen deutschen und sowjetischen Soldaten auch 2.266 Zivilisten getötet, 2.300 Häuser zerstört oder schwer beschädigt, 120 Brücken gesprengt und fast der gesamte Bestand an öffentlichen Verkehrsmitteln zerstört oder schwer beschädigt. Viele tote Soldaten als auch Zivilisten lagen noch auf den Straßen und wurden allmählich in Parkanlagen verscharrt.
Man befürchtete, dass die vielen Fremdarbeiter und Kriegsgefangenen, welche in streng bewachten Lagern untergebracht waren und jetzt befreit wurden, an der Zivilbevölkerung Rache üben würden. Doch sind keine Ausschreitungen dieser Art bekannt geworden.
In Wien war der Krieg zwar zu Ende, aber jetzt begann erst der Kampf um das nackte Überleben, denn es gab nämlich nichts. Jeder Mensch musste selbst dafür sorgen, möglichst unbeschädigt über die Runden zu kommen. Und das war schwer genug.
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