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Der Beginn - Zeitzeugenbericht von Kurt Motlik
KRIEGSZEIT
Der 2. Weltkrieg in der Heimat
Der Beginn
Schon durch die Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen im März 1938 und die darauf folgende Besetzung der Tschechoslowakei im März 1939 konnten die Menschen bereits ahnen, dass Hitler-Deutschland einen Eroberungskrieg anstrebt. Knapp vor dem Kriegsbeginn merkten dies auch die Schulkinder, als plötzlich alle jüngeren Lehrer einrücken mussten und größtenteils durch schon im Ruhestand befindliche Lehrer ersetzt wurden. Ebenso mussten viele Väter ebenfalls zu den Soldaten und die Mütter hatte man vielfach gezwungen, die Arbeit der Männer zu übernehmen. Dadurch waren viele Kinder sich selbst überlassen oder sie wurden in Tagesheimen untergebracht. Andere Kinder schlossen sich der Hitlerjugend an. Sie war eine Jugendorganisation der Hitler-Partei (NSDAP), welche die Kinder gerne in Anspruch nahm, obwohl dort strengste Disziplin herrschte, aber auch für viel Abwechslung sorgte. Man konnte dort unter Anleitung von Jugendführern spielen, singen, musizieren, an Zeltlagern teilnehmen uvam. Buben ab dem 14. Lebensjahr wurden aber schon im Umgang mit Gewehren vertraut gemacht und lernten auch schießen. Allerdings nur mit Luftdruckgewehren. Die Mütter merkten aber vorerst nicht, dass es sich hierbei bereits um vormilitärische Übungen handelte. Mädchen ab dem 14. Lebensjahr hingegen wurden unter sanftem Druck nahegelegt, ein „Landjahr“ zu absolvieren, bei welchem sie irgendwo im ländlichen Raum Arbeiten verrichten mussten, um eingerückte Bauern zu ersetzen. Dies galt auch für Mädchen ab dem 18. Lebensjahr, doch mussten diese auf ein Jahr zum „Arbeitsdienst“ einrücken. Sie waren uniformiert und wurden wie Soldaten diszipliniert. Nach Ableistung dieses Arbeitsdienstes wurden viele Mädchen verpflichtet, für die Dauer des Krieges als Wehrmachtshelferinnen tätig zu sein. Andere wieder mussten als Krankenschwester in Militärlazaretten, bei der Post oder bei Verkehrsbetrieben ihren Kriegsdienst leisten. Sie konnten sich aber die Art ihrer Verwendung nicht aussuchen.
Nachdem am 1. September 1939 deutsche Truppen Polen überfielen und damit der 2. Weltkrieg seinen Anfang nahm, wurde das Leben in unserem Land immer schwieriger, wobei hauptsächlich Kinder und alte Menschen besonders darunter zu leiden hatten. Plötzlich konnte man Dinge nicht mehr kaufen, die man vielleicht dringend gebraucht hätte oder gerne haben wollte. Nur für den allernotwendigsten Bedarf des täglichen Lebens bekam man Lebensmittelkarten oder Bezugscheine. Alle Waren, die aus dem Ausland eingeführt werden mussten, gab es überhaupt nicht mehr. Bekam man zu Beginn des Krieges noch genügend Lebensmittel, wurden die Rationen laufend immer geringer. In den wenigen, noch verbliebenen Gasthäusern erhielt man nur mehr Eintopfgerichte und selbst dafür musste man anteilig Lebensmittelmarken für Fleisch, Fett und Mehl abgeben.
Es gab aber noch viele andere Einschränkungen, die das Leben noch schwieriger machten. So mussten beim Eintritt der Dunkelheit alle Lichtquellen, auch bei Straßenfahrzeugen, abgeschirmt werden, damit feindliche Flugzeuge die Städte nicht finden. Um zu verhindern, dass die Menschen auf den Straßen zusammenstoßen, wurden auf der Oberbekleidung selbstleuchtende Planketten getragen. Überdies wurden zu Kriegsbeginn alle privaten Straßenfahrzeuge von der deutschen Wehrmacht beschlagnahmt. LKWs durften nur für kriegswichtige Transporte verwendet werden. Diese waren vielfach mit Holzgasgeneratoren ausgerüstet, da man Benzin und Diesel kaum erhalten konnte. Leichtere Gegenstände wurden mit Handkarren oder alten Kinderwagen transportiert. Das Abhören ausländischer Rundfunksender war mit hohen Gefängnisstrafen belegt. Alle Zeitungen, bis auf jene der NSDAP, dem „Völkischen Beobachter“, wurden eingestellt. Auch Tanzveranstaltungen wurden verboten und alle kriegsunwichtigen Betriebe geschlossen. In den noch verbliebenen, kriegswichtigen Betrieben wurde die wöchentliche Arbeitszeit drastisch erhöht und gleichzeitig der gesetzliche Urlaub stark gekürzt. Mit diesen Maßnahmen verdiente man zwar mehr, aber man konnte sich für das Geld nichts kaufen. Selbst Fahrten mit der Eisenbahn über 50 km mussten behördlich genehmigt werden.
Gleich zu Kriegsbeginn wurde die Zivilbevölkerung darauf vorbereitet, wie man sich zu verhalten habe, wenn feindliche Flugzeuge über der Stadt Bomben abwerfen. Es mussten regelmäßig Luftschutzübungen besucht werden, bei welchen man lernte und übte, mit einfachen Mitteln Brände zu löschen und wie man sich mit einer Gasmaske vor Rauchgas schützen kann. Die Keller in den Wohnhäusern wurden zu primitiven Luftschutzräumen umgestaltet und auf jedem Flur musste ein Kübel mit Wasser, eine Wasserspritze, eine Feuerpatsche und ein Behälter mit Löschsand bereit stehen. Für die vorschriftsmäßige Durchführung dieser Maßnahmen wurde ein Hausluftschutzwart verpflichtet, der dafür auch die ganze Verantwortung zu tragen hatte. Außerdem wurden in Wien an verschiedenen Standorten 8-10 Stockwerke hohe, absolut bombensichere Luftschutzbunker aus Stahlbeton errichtet, die bei Bombenangriffen mehreren tausend Menschen Schutz boten. Auf der Dachfläche dieser Bunker befanden sich mehrere Luftabwehrkanonen (Flak) und Geräte zum orten feindlicher Flugzeuge. Beim Herannahen der Bomber an unsere Stadt wurde über den Rundfunk mehrmals ein „Kuckucksruf“ gesendet. Dieser war für die Zivilbevölkerung das Signal, mit dem immer griffbereiten Notgepäck (Dokumente, Medikamente, Lebensmittel, Getränke, usw.) einen Luftschutzraum aufzusuchen. Beim Erreichen der Stadtgrenze wurde der eigentliche Fliegeralarm ausgelöst. Er bestand aus einem eine Minute lange dauernden auf- und abschwellenden, ohrenbetäubenden Geheul, das von Sirenen abgegeben wurde, die auf vielen Gebäuden angebracht waren. An den Hauswänden und auf den Straßen hatte man große, weiße Pfeile angebracht, um bei Dunkelheit die Schutzräume und Fluchtwege besser finden oder Verschüttete aus den Luftschutzkellern bergen zu können. Überall dort, wo regelmäßig größere Menschenansammlungen vorzufinden waren, wie z.B. Schulen, Fabriken, u. ä., wurden regelmäßig Luftschutzübungen durchgeführt, bei welchen die Menschen gedrillt wurden, bei Fliegeralarm sehr rasch, aber geordnet die Luftschutzräume aufzusuchen. Der Beginn und das Ende dieser Luftschutzübungen wurden durch eine hauseigene Sirene angezeigt.
Viele Menschen hofften aber trotzdem, diesen Spuk bald ausgestanden zu haben. Doch weit gefehlt. Er dauerte länger als 5 ½ Jahre.
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