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Auf der Straße - Zeitzeugen-Bericht von Kurt Motlik

Bild von Kurt MotlikVORKRIEGSZEIT (ZWISCHENKRIEGSZEIT)

Auf der Straße

Da es damals nur sehr wenige Autos und Motorräder gab, wurden die Nebenstraßen und Gehsteige von den Kindern als Spielplätze benützt. Echte Spielplätze waren nur ganz selten vorhanden und in den wenigen Parkanlagen war das Ballspielen überhaupt verboten. Auch die Wiesenflächen durften nicht betreten werden. Eigene Parkwächter kontrollierten diese Verbote. In einigen Parkanlagen waren metallene Klappsessel aufgestellt, die man stundenweise mieten konnte.

Die Straßen selbst boten zu dieser Zeit ein völlig anderes Bild als heute. Sie waren, ebenso wie die Gehsteige, mit holprigen Pflastersteinen belegt oder bestanden überhaupt nur aus Erde. Wie diese Straßen bei Regen oder Tauwetter aussahen, kann man sich gut vorstellen. Der Straßenbelag aus Asphalt oder Beton kam erst später. Elektrisch beleuchtet wurden nur die Hauptstraßen. In den Nebenstraßen standen, wenn überhaupt, nur Gaslaternen. Deshalb gab es auch noch den Beruf des Laternenanzünders. Bei Einbruch der Dunkelheit ging er von Laterne zu Laterne, entzündete das Gaslicht, um am Morgen die Gaszufuhr wieder abzusperren. Die letzte Gaslaterne wurde in Wien im Jahre 1962 außer Betrieb gesetzt. Sie diente damals nur mehr als Schauobjekt und stand bei einem Gasometer im 20. Bezirk.

Selbstbedienungsläden und Supermärkte gab es damals noch keine. Außerdem sah man in den Städten kaum große Kaufhäuser. Dafür konnte man in fast jedem Haus kleine Geschäfte finden, die ihre Waren zum Teil vor dem Laden ausgestellt hatten. Dazu gehörten auch die „Greißler“. Dabei handelte es sich um Lebensmittelgeschäfte, die aber auch andere Dinge des täglichen Bedarfs in ihrem Angebot hatten. Sie waren daher die Basis der Nahversorgung. Beim Greißler konnte man auch „aufschreiben“ lassen. Das hieß, dass manche Kunden nur 1x pro Woche oder Monat die laufend bezogenen Waren bezahlten. In der Zwischenzeit wurden die Schulden in einem Buch aufgeschrieben.

Auch Handwerker, wie zum Beispiel Schneider, Schuster, Tischler oder Schlosser, betrieben in kleinen Gassenläden ihre Werkstätte. Nicht zu vergessen sind die kleinen „Tabak-Trafiken“, die nur von Opfern des 1. Weltkrieges betrieben werden durften. Dort konnte man außer Zeitungen und Stempelmarken natürlich auch Zigaretten kaufen und diese sogar einzeln. Es gab aber auch „Fliegende Händler“, die von einem Handwagen hauptsächlich Obst und Gemüse anpriesen. Ebenso wurden Dienstleistungen „fliegend“ angeboten, wie zum Beispiel Scheren und Messer schleifen oder löchrige Töpfe flicken (genannt Rastelbinder) oder Stoffreste und andere Abfälle sammeln. Diese Menschen gingen auf der Straße von Haus zu Haus und kündigten lautstark ihre Anwesenheit an.
Wanderverkäufer wieder hatten einen Bauchladen umgehängt und gingen in den Wohnhäusern von Tür zu Tür und verkauften Kleinwaren, wie Knöpfe, Zwirn, Einziehgummi, Bänder uvm.

Schon damals wurden verschiedene Werbemittel eingesetzt. Es gab Plakate, Radioansagen, Anzeigen in Zeitungen, Flugblätter usw. Eine besondere Attraktion war auf diesem Gebiet der sogenannte „Himmelschreiber“. Dies war ein einmotoriges Propellerflugzeug, das am Heck eine Düse besaß, aus welcher komprimierte Kondensstreifen austraten und mit deren Hilfe man Buchstaben auf dem Himmel schreiben konnte, wie zum Beispiel „ATA“ oder „IMI“ (damals sehr beliebte Waschmittel).

Verkehrsflugzeuge sah man damals nur sehr selten, da das Fliegen in den Anfängen sehr teuer war. Auch sie wurden mit Propeller und Benzinmotor angetrieben. Auch ein Luftschiff sah man ab und zu am Himmel. Es wurde auf den Namen des Erbauers „Zeppelin“ getauft, bestand aus einem großen, mit Gas gefüllten Ballon, der ebenfalls mit Propeller und Benzinmotor angetrieben wurde. An der Unterseite befand sich eine Gondel zur Aufnahme der Steuereinrichtungen und von Passagieren.

Für die wenigen Autos und Motorräder gab es ganz primitive Tankstellen, bei denen man den Treibstoff über ein Messglas mittels einer Handpumpe in den Fahrzeugtank befördern musste.

Die Menschen bewegten sich auf den Straßen hauptsächlich zu Fuß. Wer es sich leisten konnte, fuhr mit seinem Fahrrad oder benützte die Straßenbahn, die zu dieser Zeit noch sehr primitiv ausgestattet war. Es gab vielfach noch Straßenbahnwagen mit offenen Plattformen, wo auch der Motorführer praktisch im Freien stand und jeder Witterung ausgesetzt war. Außerdem wurden manchmal noch Wagen verwendet, die auch seitlich offen waren. Bei Regen oder Schneefall wurden hochgerollte Planen herabgelassen, um die Fahrgäste ein wenig zu schützen. Die Züge waren natürlich auch nicht geheizt. In jedem Wagen befand sich ein Schaffner, der die Fahrkarten verkaufte und auf diesen mit Lochzange verschiedene Markierungen vornahm. Vor der Abfahrt des Straßenbahnzuges aus den Haltestellen musste jeder Schaffner seinen Wagen mit einem Glockensignal abfertigen. Erst dann durfte der Zug seine Fahrt fortsetzen. Die Einstiege der Straßenbahnwagen waren offen, sodass es den Fahrgästen möglich war, verbotenerweise während der Fahrt auf- und abzuspringen. Auch städtische Autobusse waren vereinzelt schon im Einsatz und hatten ebenfalls noch einen offenen Einstieg. Im Laufe der Zeit wurden immer mehr modernere Straßenbahnwagen und Autobusse in Betrieb genommen, wo man von Hand aus die Einstiegtüren öffnen und schließen konnte. Zu Beginn des großstädtischen Straßenbahnverkehrs wurden die Garnituren noch mit Dampftriebwagen gezogen, ehe man die Strecken elektrifizierte. Auf einigen Strecken der heutigen Wiener U-Bahn verkehrten sogenannte Stadtbahnzüge, die bis zur Elektrifizierung, wie fast alle übrigen Eisenbahnlinien auch, ebenfalls mit Dampfloks betrieben wurden.

Nach der Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen im März 1938 sah man auf den Straßen viele deutsche Soldaten mit LKWs und gepanzerten Fahrzeugen. Auch Kampfflugzeuge überflogen die Stadt. Alle Häuser und Geschäfte mussten mit nationalsozialistischen Symbolen geschmückt werden und viele Straßen und Plätze erhielten andere Namen. Ebenso wurde nach dem Einmarsch auf den Straßen statt der in Österreich üblich gewesenen Links-, die in Deutschland vorgeschriebene Rechtsfahrordnung eingeführt, denn Österreich gab es nicht mehr.

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