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In der Schule - Zeitzeugen-Bericht von Kurt Motlik

Bild von Kurt MotlikVORKRIEGSZEIT (ZWISCHENKRIEGSZEIT)

In der Schule

Auch damals verbrachten die Schüler einen Großteil ihrer Zeit in der Schule oder waren mit Hausaufgaben beschäftigt. Schon aus der Ferne konnte man Schulgebäude erkennen. Es waren Häuser mit kahlen, schmucklosen Fronten und großen, mehrteilig verglasten Fenstern. Auch die Gänge und Klassenräume waren kahl und man konnte glauben, in einer Kaserne zu sein. Auf den Gängen standen in bestimmten Abständen große Kohlenöfen, die durch Maueröffnungen in die Klassenzimmer ragten, um diese zu beheizen. In der kalten Jahreszeit füllte der Schulwart mehrmals täglich, auch während des Unterrichts, die Kohle nach. Zu dieser Zeit trug übrigens der Schulwart noch eine Uniform mit Dienstkappe. In den schmucklosen Klassenzimmern hingen hässliche Glaskugeln mit schwachen Glühlampen, die bei Dunkelheit eine spärliche Beleuchtung abgaben. Es gab aber auch noch Schulen, die mit einer Gasbeleuchtung ausgestattet waren. Die Überkleider der Kinder mussten auf primitiven Haken in den Klassenzimmern aufgehängt werden.

Während des Unterrichts saßen die Schüler auf Bänken, die mit einem klappbaren Schreibpult fix verbunden waren. Auf dem festen Teil des Schreibpults befand sich ein Tintenfass mit blauer Tinte, sowie eine Rinne für Federstiel und Bleistift. Der Schreibtisch für Lehrer (Lehrerinnen gab es damals nur sehr selten) stand erhöht auf einem Podium. Darauf befand sich das Klassenbuch, sowie je ein Tintenfass mit blauer und roter Tinte. Die beiden Schultafeln bestanden aus einem Holzrahmen, der mit einem schwarzen, abwaschbaren Leinen überzogen war. Daneben stand ein Kästchen mit einer kleinen Waschschüssel und einem nachfüllbaren Wasserbehälter aus Blech, der mit einem kleinen Wasserhahn versehen war. Er diente dazu, um mit befeuchteten Tafelschwämmern die beschriebene Tafeln löschen zu können.

In regelmäßigen Abständen wurden die Holzböden der Klassenzimmer zur Desinfektion mit einer öligen, übelriechenden Flüssigkeit getränkt, wodurch im gesamten Schulhaus ein unerträglicher Gestank verbreitet wurde.

Mädchen und Buben wurden grundsätzlich in getrennten, aber manchmal auch in benachbarten Schulen unterrichtet. Lediglich im Fremdsprachenunterricht gab es fallweise gemeinsame Klassen.

Zu Beginn um am Ende eines jeden Schultages musste mit dem Lehrer gemeinsam und stehend gebetet werden. Dem Religionsunterricht kam damals eine viel größere Bedeutung zu, als heute, weshalb dieser auch von einem Priester (Kathechet) wahrgenommen wurde. An Sonntagen und kirchlichen Feiertagen überwachte dieser Kathechet in der für die Schüler zuständigen Kirche, ob die Kinder auch regelmäßig die Kindermesse besuchten. Konnte man aus einem triftigen Grund daran nicht teilnehmen, mussten die Eltern dies schriftlich entschuldigen oder die Kinder wurden bestraft.
 
Während des Unterrichts musste absolute Ruhe herrschen und man durfte nur dann sprechen, wenn man vom Lehrer gefragt wurde. Sonst gab es außer Ermahnungen und Straf-Hausübungen manchmal auch Schläge mit der Hand oder mit einem „Rohrstaberl“ (einem innen hohlen, dünnen Holzstab). Wenn nicht geschrieben oder gezeichnet wurde, mussten beide Hände der Kinder nebeneinander auf dem Schreibpult liegen.

Zu Beginn eines jeden Schuljahres wurden die kostenlosen Schulbücher verteilt und am Schulschluss wieder abgesammelt. Sie mussten mehrere Jahre verwendet werden und wurden erst dann ausgetauscht, wenn sie unbrauchbar geworden waren. Auch Schreib- und Zeichenmaterial bekam man kostenlos von der Schule. Geschrieben wurde mit Tinte, Federstiel und Schreibfedern. Füllfedern waren sehr teuer, daher selten zu sehen und im Unterricht überhaupt verboten. Kugelschreiber und Filzstifte waren zu dieser Zeit noch gar nicht erfunden.

Die Pausen mussten in den Klassenzimmern verbracht werden. Lediglich zur Benützung der WCs durften sie verlassen werden. Begegnete man am Gang einer Lehrkraft, musste diese jedesmal durch stummes Kopfnicken gegrüßt werden. Ebenso erfolgte die Verabschiedung des Klassenlehrers nach Unterrichtsschluss beim Schultor.

Schulferien gab es damals, so wie heute, im Sommer, zu Weihnachten und zu Ostern. Nur die „Energieferien“ kannte man damals noch nicht. Sie stammten aus einer Zeit, in welcher wegen Brennstoffmangel kein Unterricht stattfinden konnte.

Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938 wurde auch für die Schüler vieles anders. Abgesehen davon, dass die Klassenzimmer mit deutschen Fahnen und mit dem Bild des deutschen Diktators Adolf Hitler geschmückt werden mussten, hat sich auch bei den Zeugnissen einiges geändert. Stand bisher auf den Zeugnissen als Geburtsland „Österreich“, hieß es ab nun „Deutsches Reich“ und statt bisher vier Noten gab es ab diesem Zeitpunkt sechs Noten. Auch die Bezeichnung einiger Unterrichtsfächer wurde geändert: statt „Turnen“ sagte man „Leibeserziehung“, statt „Deutsch“ sagte man „Unterrichtssprache“ usw. Insgesamt blieben aber die Zeugnisse vom Aussehen her über Jahrzehnte sehr ähnlich. Zu einem weiteren Leidwesen der Schüler kam noch hinzu, dass einige Lehrer aus politischen Gründen ausgetauscht wurden. Ebenso ausgetauscht wurden viele österreichische Schulbücher und durch deutsche ersetzt, denn Österreich hieß nun „Ostmark“ und war ein Teil des „Deutschen Reiches“.

Knapp vor Beginn des 2. Weltkrieges im September 1939 gab es für die Schüler neuerlich einen Schock. Abermals wurden viele Lehrer, an die man sich bereits gewöhnt hatte, ausgetauscht, da die jüngeren in den Krieg ziehen mussten und durch bereits pensionierte oder kranke Lehrer ersetzt wurden. Auch viele Väter mussten zum Militär. Zur Übernahme ihrer Arbeit wurden Frauen, darunter viele Mütter, gezwungen oder sie wurden zu anderen Kriegsdiensten verpflichtet (Wehrmachtshelferin, Postbotin, Krankenschwester, Schaffnerin usw.). Dadurch waren viele Kinder den ganzen Tag sich selbst überlassen oder wurden in Tagesheimen untergebracht. Andere wieder schlossen sich der Hitlerjugend an und wurden dort von politischen Jugendführern betreut. Für Knaben ab dem 14. Lebensjahr war die Mitgliedschaft bei der Hitlerjugend Pflicht, wollten sie eine Höhere Schule besuchen. Außerdem war zum Besuch einer Höheren Schule ein „Ariernachweis“ erforderlich. Darin wurde von einer Behörde beurkundet, dass man kein Nachkomme von Juden war.
Ich ging zu dieser Zeit noch in die Hauptschule, mir blieb aber das Schicksal erspart, von fremden Menschen betreut werden zu müssen, da mein Vater vom ersten Weltkrieg her schwer kriegsbeschädigt war und daher nicht mehr einrücken musste. Meine Mutter war bereits im Jahre 1938 verstorben.

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