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Der österreichische Staatsvertrag - Zeitzeugenbericht von Kurt Motlik

Bild von Kurt MotlikNACHKRIEGSZEIT

Der Österreichische Staatsvertrag

Bei einer Konferenz der Staatschefs aus den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und der Sowjetunion im November 1943 in Moskau, also zu einer Zeit, wo der Ausgang des 2. Weltkriegs noch nicht absehbar war, wurde entschieden, dass Österreich das erste Opfer der Hitler-Aggression war und daher als erstes Land von der deutschen Herrschaft befreit werden muss. Gleichzeitig wurde aber auch festgestellt, dass Österreich am 2. Weltkrieg Mitverantwortung trägt.

Bei einer weiteren Konferenz auf höchster Ebene im Februar 1945 in Jalta (UdSSR), als Deutschland als Verlierer praktisch schon feststand, wurden die über Österreich vereinbarten Maßnahmen bekräftigt und überdies bereits die Besatzungszonen und Kontrollorgane festgelegt.

Im Mai 1945 kapitulierte Deutschland und Soldaten der Vereinigten Staaten, von Großbritannien, der Sowjetunion und von Frankreich befreiten unsere Heimat von der deutschen Gewaltherrschaft. Unser Land hieß wieder Österreich, wurde abermals ein kleiner, selbstständiger Staat, erhielt auch eine eigene Regierung, die aber nur mit Zustimmung der Besatzungsmächte Entscheidungen treffen durfte.

Als einziges Siegerland beanspruchte die Sowjetunion Reparationen (Wiedergutmachung von Kriegsschäden). Sie beschlagnahmte unzählige Betriebe, demontierte ihre Einrichtungen oder sie transportierte die dort erzeugten Güter in die Sowjetunion.

Die erste Staatsvertragsverhandlung zwischen den vier Siegermächten fand am 25.02.1947 statt. Österreich knüpfte große Hoffnungen an die in diesem Jahr 5 Monate dauernden 85 Sitzungen. Doch der Erfolg blieb aus. Im Mai 1950 fand bereits die 254. Sitzung dieser Art statt. Aber wieder ohne Erfolg, da sich die Siegermächte über den Fortlauf des Vertrages nicht einigen konnten. Besonders groß war aber die Enttäuschung, als bei einer sehr erfolgversprechenden Außenministerkonferenz der Siegermächte am 18.02.1954 in Berlin der Staatsvertrag wieder nicht zu Stande kam. Die Menschen in Österreich waren schon so verzweifelt, dass diese Nachricht in den österreichischen Zeitungen mit einem Trauerrand versehen wurde.

Im April 1955 kam unerwartet die große Wende. Die Sowjetunion lud gegen den Willen der anderen drei Siegermächte eine österreichische Regierungsdelegation nach Moskau ein. Zur großen Überraschung wurden die Österreicher unter der Leitung des damaligen Bundeskanzlers Ing. Julius Raab am Moskauer Flughafen wie besonders hohe Staatsgäste mit allen militärischen Ehren empfangen. Nach dreitägigen Direktverhandlungen wurde ein Vertragstext formuliert, dem aber die drei Westalliierten in einigen Bereichen nicht zustimmen wollten. Obwohl zu diesem Zeitpunkt das Datum für die Vertragsunterzeichnung praktisch schon feststand (15.05.1955), konnten sich die vier Besatzungsmächte erst am 14.05.1955 in Wien anlässlich der 354. und letzten Sitzung endgültig einigen, sodass der Unterzeichnung des „Österreichischen Staatsvertrags“ nichts mehr im Wege stand. Nach einer weiteren, aber nur mehr formalen Konferenz der beteiligten Außenminister am 15.05.1955 war es dann so weit. Nach zehn Jahren Besetzung unterzeichneten die vier Außenminister der Siegermächte und der damals amtierende österreichische Außenminister Ing. Leopold Figl das lang ersehnte Vertragswerk im Spiegelsaal des Wiener Belvedere. Alle Außenminister betraten anschließend den großen Balkon und Figl zeigte der jubelnden Bevölkerung am Vorplatz des Schlosses den signierten Vertrag und verkündete freudestrahlend „Österreich ist frei“. Daraufhin läuteten in ganz Österreich die Kirchenglocken. In diesem Vertag verpflichtete sich Österreich u.a. „Für immer ein friedliches, neutrales Land“ sein zu wollen. Neutralität bedeutet:

  • keine Teilnahme an bewaffneten Auseinandersetzungen anderer Staaten,
  • keine Zugehörigkeit zu Militärbündnissen und
  • kein Aufenthalt oder Durchzug fremder, bewaffneter Soldaten.

Deshalb mussten bis zum 25.10.1955 alle fremden, bewaffneten Soldaten unser Land verlassen, sodass unser Heimatland Österreich erst am 26.10.1955 endgültig frei wurde. Vorher verabschiedeten sich die Soldaten der vier Besatzungsmächte bei einer Parade mit Musikkapellen von der Wiener Bevölkerung, ehe sie die Rückreise in ihre Heimatländer antraten. Dies ist Anlass genug, alljährlich den 26. Oktober besonders zu feiern. Ursprünglich hieß dieser Feiertag „Tag der Fahne“, wurde aber im Jahre 1965 durch den österreichischen Nationalrat zum Österreichischen Nationalfeiertag“ erhoben.

Unterdessen haben sich 27 europäische Staaten in der „Europäischen Union“ zu einer Völkergemeinschaft zusammengeschlossen. Weitere Staaten werden in einigen Jahren noch folgen. Dieser Zusammenschluss bewirkte u.a., dass es zwischen den beteiligten Ländern seit mehr als 60 Jahren keinen Krieg mehr gab und es auch in Zukunft keinen geben wird. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Eltern und Großeltern der jetzt wirkenden Generationen sehr große Opfer bringen mussten, um unsere Heimat so schön und lebenswert zu gestalten, damit jenes Leben möglich wurde, welches wir heute genießen dürfen.

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