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Das Ende - Zeitzeugenbericht von Kurt Motlik

Bild von Kurt MotlikKRIEGSZEIT

Der 2. Weltkrieg in der Heimat

Das Ende

Im Juni 1944 begannen amerikanische und britische Bombengeschwader meine Heimatstadt Wien zu zerstören. Nach einer Vorwarnung im Rundfunk und dem etwas später folgenden Fliegeralarm begaben sich die Menschen mit ihrem Notgepäck in den zunächst gelegenen Luftschutzraum. Natürlich wurden auch Schulen, Fabriken und Spitäler so rasch als möglich geräumt. Bald hörte man den Kanonendonner der unzähligen Luftabwehrgeschütze. Schon aus diesem Grund war es erforderlich, einen Luftschutzraum aufzusuchen, um nicht von Granatsplittern getroffen zu werden.

Wien erlebte bis Kriegsende 53 schwere Luftangriffe mit entsprechend großen Schäden an Gebäuden, Kulturgütern und der Infrastruktur. Dies führte schließlich dazu, dass in den Schulen kein geregelter Unterricht mehr möglich war, weshalb viele Pflichtschulkinder in den ländlichen Raum gebracht wurden. Ebenso wurde den Müttern mit Kleinkindern empfohlen, die Stadt zu verlassen. Durch den Bombenkrieg entstanden aber noch weitere Engpässe, die das Leben unerträglich machten:
Strom und Gas stand täglich, wenn überhaupt, nur wenige Stunden zur Verfügung, private Fernsprechverbundungen waren kaum mehr möglich, Trinkwasser gab es fast ausschließlich nur bei einigen Hydranten auf der Straße, wo sich Menschenschlangen bildeten, um das kostbare Nass in ihre Kübel und Kannen zu füllen. Ebenso war die Versorgung mit Lebensmittel dem Zusammenbruch nahe. Man musste sich oft stundenlang um die bereits stark gekürzten Rationen anstellen, weil man Angst hatte, überhaupt nichts mehr zu bekommen. (Die Zuteilung betrug zum Beispiel für Fleisch oder Fleischwaren 200 Gramm, für Brot und Mahlprodukte 1.500 Gramm pro Kopf und Woche.) An manchen Tagen wurde sehr verspätet oder gar nicht geliefert. Die letzten Lebensmittelkarten wurden am 4.3.1945 ausgegeben. Der Unmut unter der Bevölkerung war sehr groß, doch öffentliche Kritik wurde mit Gefängnis oder KZ bestraft. Da durch die Bomben auch viele Geschäfte zerstört wurden, war man gezwungen, Container oder alte, gedeckte Güterwagen provisorisch für den Verkauf der Waren bereit zu stellen. Die Versorgung mit Brennstoffen brach ebenfalls total zusammen. Selbst die wenigen noch im Betrieb befindlichen Schulen konnten nicht mehr beheizt werden. Trotzdem gab es einmal pro Woche in den unterkühlten Klassenzimmern einen kurzen Unterricht, um Hausübungen zu erklären und zu verteilen, wobei die Schüler ihre Oberbekleidung und die Handschuhe anbehalten mussten, um die Kälte besser ertragen zu können. Mit einer amtlichen Genehmigung war es der Bevölkerung gestattet, aus den umliegenden Wäldern geringe Mengen Fallholz zu holen oder man suchte nach etwas Brennbaren in den Trümmern der zerstörten Gebäude. Auch der Eisenbahnverkehr musste stark eingeschränkt werden oder wurde überhaupt eingestellt.

Trotz dieser unsagbaren Not hielten die Menschen fest zusammen und waren sogar bereit, ihr letztes Hab und Gut mit jenen zu teilen, die entweder durch Bomben alles verloren hatten oder vor den herannahenden, feindlichen Truppen flüchten mussten.

In den letzten Kriegstagen hatte man alle Männer im Alter von 10-60 Jahren, die bisher für den Frontdienst untauglich waren, zum „Volkssturm“ einberufen. Man drückte ihnen Gewehre und Panzerfäuste in die Hand und schickte sie nach einer einwöchigen Ausbildung an die Front oder setzte sie bei Straßenkämpfen ein. Sie trugen ihre Zivilkleider und eine Armbinde mit der Aufschrift „Volkssturm“. Für sie bestand aber das Risiko, bei Gefangennahme durch den Feind nicht als Soldaten, sondern wie Partisanen behandelt zu werden. Für die reguläre Truppe waren diese Menschen aber eine große Gefahr, da sie weder mit dem Kriegsgeräte umgehen konnten, noch von Selbstschutz eine Ahnung hatten.

Am 2.4.1945 wurde Wien zur Festung erklärt, was hieß, die Stadt mit allen tauglichen und untauglichen Mitteln zu verteidigen. Bei diesen Bombenangriffen wurden 8.769 Zivilisten getötet.

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