Ballon-Implantate gegen Schulterbeschwerden
Wenn die Rotatorenmanschette Risse zeigt:
Jeder Vierte leidet unter behandlungsbedürftigen Schultererkrankungen. Ist die Rotatorenmanschette betroffen, so drohen im fortgeschrittenen Stadium Arthrose und dauerhafte Instabilität der Schulter. Ein selbstauflösendes salzwassergefülltes Implantat kann in diesen Fällen wirkungsvoll helfen.
Ein Viertel aller Deutschen konsultiert einmal im Leben den Orthopäden wegen starker Schulterbeschwerden, schätzen Experten. „Nach dem 40. Geburtstag steigt die Schultererkrankungs-Rate bei Männern wie bei Frauen erheblich an“, erläutert Professor Dr. med. Sven Ostermeier, leitender Orthopäde und Schulter-Spezialist der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Der Grund: „Stabilität und Beweglichkeit der Schulter lassen mit zunehmendem Alter nach. Die Wahrscheinlichkeit von Verletzungen steigt deutlich an.“ Die Folge: Schulterschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit.
Für eine reibungslose Funktion der Schulter sorgt die Rotatorenmanschette, die den Oberarmkopf wie eine Manschette umfasst. Die Aufgabe dieser Muskelsehnenplatte besteht darin, den Gelenkkopf des Oberarmknochens in der Gelenkpfanne des Schulterblatts zu zentrieren und somit eine reibungslose Drehung und Hebung des Armes zu unterstützen. Dies führt mit den Jahren naturgemäß zu erheblichem Verschleiß: „Im Durchschnitt sind die Patienten 55 Jahre alt, wenn sie sich erstmals wegen einer Erkrankung der Rotatorenmanschette in orthopädische Behandlung begeben“, betont Professor Ostermeier. Bei mehr als 30 Prozent der über 60-jährigen kommt es zu Rissen oder Teilrissen einer der Schultersehnen. Am häufigsten betroffen ist die wichtige Supraspinatussehne, die zwischen Oberarmkopf und Schulterdach verläuft. Durch chronische Einengung, dauernde Überlastung bzw. Druckbeanspruchung nutzt sie sich im Laufe der Jahre immer stärker ab und es entstehen Risse. Aber auch Unfälle können zu einer Schädigung führen.
Erste Hilfe durch Krankengymnastik & Kortison
Bevor eine sinnvolle Therapie beginnen kann, müssen die Schmerzen medikamentös behandelt werden. Kurzfristig können auch Kortison-Injektionen in die Gelenkkapsel hilfreich sein. Kräftigende krankengymnastische Übungen helfen dabei, den Oberarmkopf wieder besser im Gelenk zu zentrieren. Bei kleinen Rissen lässt sich so in vielen Fällen die volle Funktion des Schultergelenks wiederherstellen. Zeigt die konservative Therapie nicht innerhalb von 6 Wochen eine deutliche Verbesserung, so ist meist eine arthroskopische „Reparatur“ der Supraspinatussehne erforderlich. „Bei diesem Eingriff können auch größere Schäden oder komplette Risse der Rotatorenmanschette minimalinvasiv genäht werden“, versichert Professor Ostermeier. Je schneller nach dem Riss genäht wird, desto besser die Heilungschancen. „Vor allem bei jüngeren Patienten unter 40 Jahren sowie Sportlern mit einer hohen Belastung der Schulter, die eine schnelle Wiederherstellung ihrer Sportfähigkeit anstreben, empfiehlt sich die umgehende Operation“, so der Facharzt. Die überwiegende Mehrzahl (80%-90%) der Patienten hat danach eine deutlich schmerzfreiere und besser bewegliche Schulter.
Neue OP-Methode kompensiert Sehnen-Funktion
Ist die Supraspinatussehne über Jahre stark degeneriert, so lässt sich mit einer konservativen Behandlung meist nichts mehr bewirken. Es drohen Arthrose und dauerhafte Instabilität der Schulter. „In diesen Fällen eignet sich das neuartige Inspace-System, das die fehlende Funktion der Supraspinatussehne ausgleicht“, erläutert Professor Ostermeier. Mit Hilfe eines Ballon-Implantats wird der Oberarmkopf wieder nach unten in das Schultergelenk gedrückt und hier stabilisiert. „Der operative Eingriff ist wenig belastend, da der Ballon über einen kleinen Schnitt an der Schulter minimal-invasiv unter das Schulterdach eingeführt und anschließend mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllt wird“, erklärt Professor Ostermeier. Eine dauerhafte Verengung des Raumes unter dem Schulterdach, oft problematische Folge einer Supraspinatusruptur, wird verhindert. „Der Bewegungsablauf wird normalisiert. Der Patient hat in der Regel weitaus weniger Schmerzen und ist wieder zu einer intensiven Krankengymnastik in der Lage“, nennt Professor Ostermeier die wesentlichen Behandlungsvorteile. In den folgenden 24 Monaten löst sich das Inspace-Implantat nach und nach wieder auf. Studien belegen auch danach einen positiven Effekt. Langzeiterfahrungen stehen noch aus.
In Kürze:
An den Sehnen hängt es ...
Die Schulter des Menschen ist weitgehend an Bändern und Muskeln frei beweglich aufgehängt. Die wichtigste Sehne ist die Supraspinatussehne. Sie verbindet den Oberarmkopf mit dem Supraspinatusmuskel und sorgt dafür, dass der Arm gehoben werden kann. Zudem ermöglicht sie es, dass der Oberarmkopf bei entspannt herabhängendem Arm genau in der Schulterpfanne (Glenoid) liegt und nicht vom starken Muskelzug des Deltamuskels unter das Schulterdach gezogen wird.
Ist die Rotatorenmanschette defekt, so bewegt sich der Oberarmknochen nach oben in Richtung des Schulterdachs (Akromion). Die zunehmende Enge führt zu Schmerzen, Bewegungsstörungen und Rissen. Doch längst nicht jede Rotatorenmanschetten-Verletzung muss operiert werden. Viele Schädigungen verlaufen schmerz- und symptomfrei. Professor Ostermeier: „Über die Hälfte aller gesunden Menschen über 75 Jahren haben einen Teilriss der Rotatorenmanschette, die meisten spüren aber weder Schmerzen noch Beschwerden.“
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