Lustige Gedichte
Bim, Bam, Bum (Christian Morgenstern, 1871-1914)
Ein Glockenton fliegt durch die Nacht,als hätt' er Vogelflügel;
er fliegt in römischer Kirchentracht
wohl über Tal und Hügel. Er sucht die Glockentönin BIM,
die ihm vorausgeflogen;
d.h. die Sache ist sehr schlimm,
sie hat ihn nämlich betrogen. "O komm" so ruft er, "komm, dein BAM
erwartet dich voll Schmerzen.
Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm,
dein BAM liebt dich von Herzen!" Doch BIM, dass ihr's nur alle wisst,
hat sich dem BUM ergeben;
der ist zwar auch ein guter Christ,
allein das ist es eben. Der BAM fliegt weiter durch die Nacht
wohl über Wald und Lichtung.
Doch, ach, er fliegt umsonst! Das macht,
er fliegt in falscher Richtung.
Der Lattenzaun (Christian Morgenstern, 1871-1914)
Es war einmal ein Lattenzaunmit Zwischenraum hindurchzuschaun. Ein Architekt, der dieses sah,
stand eines Abends plötzlich da - und nahm den Zwischenraum heraus
und baute draus ein großes Haus. Der Zaun indessen stand ganz dumm,
mit Latten ohne was herum. Ein Anblick grässlich und gemein
drum zog ihn der Senat auch ein. Der Architekt jedoch entfloh
nach Afri- od Ameriko.
Die arme kleine Idee (Otto Sommerstorff, 1859-1934)
Es war einmal eine kleine Idee,ein armes, schmächtiges Wesen-,
Da kamen drei Dichter des Wegs, o weh!
Und haben sie aufgelesen.
Der eine macht´ einen Spruch daraus -
Das hielt die kleine Idee noch aus;
Der zweite eine Ballade -
Da wurde sie schwach und malade;
Der dritte wollt´ sie verwenden
Zu einem Roman in zwei Bänden -
Dem starb sie unter den Händen.
Die Stärke des Weins (Gotthold Ephraim Lessing, 1729-1781)
Wein ist stärker als das Wasser:
Dies gestehn auch seine Hasser.
Wasser reißt wohl Eichen um,
Und hat Häuser umgerissen:
Und ihr wundert euch darum,
Dass der Wein mich umgerissen?
Fink und Frosch (Wilhelm Busch, 1832-1908)
Auf leichten Schwingen frei und flinkZum Lindenwipfel flog der Fink
Und sang an dieser hohen Stelle
Sein Morgenlied so glockenhelle. Ein Frosch, ein dicker, der im Grase
Am Boden hockt, erhob die Nase,
Strich selbstgefällig seinen Bauch
Und denkt: Die Künste kann ich auch. Alsbald am rauhen Stamm der Linde
Begann er, wenn auch nicht geschwinde,
Doch mit Erfolg emporzusteigen,
Bis er zuletzt von Zweig zu Zweigen,
Wobei er freilich etwas keucht,
Den höchsten Wipfelpunkt erreicht
Und hier sein allerschönstes Quaken
Ertönen läßt aus vollen Backen. Der Fink, dem dieser Wettgesang
Nicht recht gefällt, entfloh und schwang
Sich auf das steile Kirchendach. Wart, rief der Frosch, ich komme nach.
Und richtig ist er fortgeflogen,
Das heißt, nach unten hin im Bogen,
So daß er schnell und ohne Säumen,
Nach mehr als zwanzig Purzelbäumen,
Zur Erde kam mit lautem Quak,
Nicht ohne großes Unbehagen. Er fiel zum Glück auf seinen Magen,
Den dicken, weichen Futtersack,
Sonst hätt er sicher sich verletzt. Heil ihm! Er hat es durchgesetzt.
Früher, da ich unerfahren (Wilhelm Busch, 1832-1908)
Früher, da ich unerfahrenUnd bescheidner war als heute,
Hatten meine höchste Achtung
Andre Leute.
Später traf ich auf der Weide
Außer mir noch mehr Kälber,
Und nun schätz ich, sozusagen,
Erst mich selber.
Lieder eines Lumpen (Wilhelm Busch, 1832-1908)
Im Karneval, da hab' ich mich
Recht wohlfeil amüsiert,
Denn von Natur war ich ja schon
Fürtrefflich kostümiert.
Bei Maskeraden konnt' ich so
Passieren frank und frei;
Man meinte am Entree, dass ich
Charaktermaske sei.
Recht unverschämt war ich dazu
Noch gegen jedermann
Und hab' aus manchem fremden Glas
Manch tiefen Zug getan.
Darüber freuten sich die Leut
Und haben recht gelacht,
Dass ich den echten Lumpen so
Natürlich nachgemacht.
Nur einem groben Kupferschmied,
Dem macht' es kein Pläsier,
Dass ich aus seinem Glase trank -
Er warf mich vor die Tür.
Lob der Faulheit (Gotthold Ephraim Lessing 1729-1781)
Faulheit jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied bringen.-
O -- wie -- sau -- er -- wird es mir, --
Dich -- nach Würden -- zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut, wer Dich nur hat,
Dessen ungestörtes Leben --
Ach! -- ich -- gähn -- ich -- werde matt --
Nun -- so -- magst du -- mir`s vergeben,
Daß ich Dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.
Resignation (Klabund, 1890-1928)
Ja, so geht es in der Welt,Alles fühlt man sich entgleiten,
Jahre, Haare, Liebe, Geld
Und die großen Trunkenheiten. Ach, bald ist man Doktor Juris
Und Assessor und verehlicht,
Und was eine rechte Hur is,
Das verlernt man so allmählicht. Nüchtern wurde man und schlecht.
Herz, du stumpfer, dumpfer Hammer!
Ist man jetzt einmal bezecht,
Hat man gleich den Katzenjammer.
Sexuelle Aufklärung (Ludwig Thoma 1867-1921)
Der alte Storch wird nun begraben.
Ihr Kinder lernt im Unterricht,
Warum wir dies und jenes haben,
Und es verbreitet sich das Licht.
Zu meiner Zeit, du große Güte!
Da herrschte tiefe Geistesnacht.
Man ahnte manches im Gemüte
Und hat sich selber was gedacht.
Mich lehrte dieses kein Professer;
Nur eine gute, dicke Magd
Nahm meine Unschuld unters Messer
Und machte auf dieselbe Jagd.
Ihr Unterricht war nicht ästhetisch,
Im Gegenteil, sehr weit entfernt.
Und doch, wenn auch nicht theoretisch,
Ich hab' es ziemlich gut gelernt.
Vom Schlaraffenland (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1798-1874)
Kommt, wir wollen uns begeben
jetzo ins Schlaraffenland
seht da ist ein lustig Leben
und das Trauern unbekannt
seht da lässt sich billig zechen
und umsonst recht lustig sein
Milch und Honig fließt in Bächen,
aus den Felsen quillt der Wein
Alle Speisen gut geraten,
und das Finden fällt nicht schwer
Gäns und Enten gehen gebraten
überall im Land umher
Mit dem Messer auf dem Rücken
läuft gebraten jedes Schwein
Oh wie ist es zum entzücken,
Ei, wer möchte dort nicht sein.
Und von Kuchen, Butterwecken,
sind die Zweige voll und schwer
Feigen wachsen in den Hecken,
Ananas im Busch umher
Keiner darf sich mühen und bücken,
alles stellt von selbst sich ein
Oh, wie ist es zum entzücken,
Ei, wer möchte dort nicht sein
Und die Straßen allerorten,
jeder Weg und jede Bahn
sind gebaut aus Zuckertorten,
und Bonbons und Marzipan
Und von Brezeln sind die Brücken,
aufgeführt gar hübsch und fein
Oh, wie ist es zum entzücken,
Ei, wer möchte dort nicht sein
Ja, das mag ein schönes Leben,
und ein herrlich Ländchen sein
Mancher hat sich hinbegeben,
aber keiner kam hinein
ja, und habt ihr keine Flügel,
nie gelangt ihr bis ans Tor
denn es liegt ein breiter Hügel
ganz von Pflaumenmus davor.
Zahnschmerz (Wilhelm Busch 1832-1908)
Das Zahnweh, subjektiv genommen,
ist ohne Zweifel unwillkommen;
doch hat's die gute Eigenschaft,
dass sich dabei die Lebenskraft,
die man nach außen oft verschwendet,
auf einen Punkt nach innen wendet
und hier energisch konzentriert.
Kaum wird der erste Stich verspürt,
kaum fühlt man das bekannte Bohren,
das Zucken, Rucken und Rumoren,
und aus ist's mit der Weltgeschichte,
vergessen sind die Kursberichte,
die Steuern und das Einmaleins,
kurz, jede Form gewohnten Seins,
die sonst real erscheint und wichtig,
wird plötzlich wesenlos und nichtig.
Ja, selbst die alte Liebe rostet,
man weiß nicht, was die Butter kostet,
denn einzig in der engen Höhle
des Backenzahnes weilt die Seele,
und unter Toben und Gesaus
reift der Entschluss: Er muss heraus!
Gedichte-Kategorien:
» Abschied
» Alter
» Fest- und Feiertage
» Frau
» Freunde
» Geburtstag
» Glück
» Hochzeit
» Hoffnung
» Jahreszeiten
» Jubiläum
» Kinder
» Kummer
» Liebe
» Lustiges
» Mann
» Mond
» Nachdenkliches
» Natur
» Satire
» Sehnsucht
» Sinn des Lebens
» Sonne
» Tageszeiten
» Tiere
» Trauer
» Sonstiges
© 2005-2024 PlanetSenior :: Inhalte sind notariell geschützt durch PriorMart AG