Urlaubsanspruch nun doch vererbbar
München, 27.06.2014 Der EuGH stärkt die Rechte von Arbeitnehmern und ihren Erben: Wie das Gericht in einem aktuellen Urteil (Az.: C-118/13) entschieden hat, geht der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub mit dem Tod eines Arbeitnehmers nicht unter. Vielmehr entsteht ein finanzieller Ausgleich, den die Erben geltend machen können. Damit stellt sich der EuGH gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Deutsche Forum für Erbrecht e.V. erläutert und kommentiert dieses Urteil.
Der Entscheidung vom 12. Juni 2014 lag der Fall einer Frau zugrunde, die Alleinerbin ihres im November 2010 verstorbenen Mannes ist. Der Erblasser hatte über zwölf Jahre lang bis zu seinem Tod bei derselben Firma gearbeitet, zum Zeitpunkt seines Todes hatte er einen Anspruch auf mindestens 140,5 offene Tage Jahresurlaub.
Deshalb machte die Witwe gegenüber dem Arbeitgeber des Verstorbenen Abgeltungsansprüche für die nicht genommenen Urlaubstage geltend. Nachdem die Firma die Forderung mit der Begründung zurückwies, ein Urlaubsanspruch sei nicht vererbbar, erhob die Witwe Klage. Nachdem sie vor dem Arbeitsgericht mit ihrer Forderung scheiterte, wurde das Verfahren in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Hamm fortgeführt. Dieses setzte das Verfahren aus und rief den Gerichtshof zur Vorabentscheidung an.
Der EuGH gab der Erbin recht: Dem Gericht zufolge ist der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts, von dem nicht abgewichen werden darf. Ein finanzieller Ausgleich, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers geendet hat, sei unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit dieses Anspruchs sicherzustellen. Dieser steht dem Arbeitnehmer nach der Richtlinie 2003/88/EG zur Arbeitszeitsicherung zu. Einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, verstoßen gegen Artikel 7 dieser Richtlinie.
Mit dieser Entscheidung stärkt der EuGH die Rechte von Arbeitnehmern und deren Erben und stellt sich gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Deutschland. Dieses hatte zuletzt im März 2013 entschieden, dass der Urlaubsanspruch eines Erblassers mit dessen Tod untergehe. Er könne sich auch nicht in einen Abgeltungsanspruch umwandeln (Urteil vom 12.03.2013, Az.: 9 AZR 532/11).
„Das Deutsche Forum für Erbrecht begrüßt diese Entscheidung“, erklärt Dr. Anton Steiner, Präsident des Forums und Fachanwalt für Erbrecht in München. „Die Rechte der Erben verstorbener Arbeitnehmer werden damit gestärkt. Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis endet, ohne dass er offene Urlaubstage nehmen konnte, hat Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich gegen seinen Arbeitgeber. Nichts anderes kann gelten, wenn das Arbeitsverhältnis mit seinem Tod endet. Der Abgeltungsanspruch fällt dann in seinen Nachlass.“
Der Erbrechtsexperte erläutert weiter: „Natürlich stellt es auf der anderen Seite für Arbeitgeber eine Belastung dar, wenn Arbeitnehmer mit vielen aufgelaufenen Urlaubstagen – wie in dem Fall, über den der EuGH zu entscheiden hatte – versterben und die Erben eine entsprechende Abgeltung fordern. Die Entscheidung sollte deshalb auch ein Ansporn für Arbeitgeber sein, ihre Arbeitnehmer dazu anzuhalten, den Erholungsurlaub auch tatsächlich zu nehmen und sich schon aus gesundheitlichen Gründen Pausen vom Arbeitsalltag zu gönnen, statt von Jahr zu Jahr mehr Urlaubstage anzuhäufen. Für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ist dies stets die bessere Lösung.“
Weitere Informationen: www.erbrechtsforum.de
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