Weihnachtsdepressionen – nicht in diesem Jahr!
Was kann man dagegen tun, damit die „Stille Nacht, heilige Nacht“ nicht alle Jahre wieder zum „Krisenfest“ wird? Dr. Thomas Bolm, Facharzt für Psychatrie, Psychosomatik und Psychotherapie vom Klinikum Christophsbad hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.
Während sich viele Menschen ins Einkaufsgetummel stürzen, Plätzchen backen und dekorieren, fürchten sich andere vor dem Fest. „Weihnachtszeit bedeutet für immer mehr Menschen eher Gemütsstress als Glück unterm Tannenbaum. Entweder, weil sie niemanden haben, mit dem sie die Weihnachtstage verbringen können. Oder, weil in ihrer Familie an den Festtagen immer wieder Streit den Ablauf bestimmt. Auch veränderte Lebensumstände, wie Trennung, der Auszug der Kinder oder der Tod eines nahestehenden Menschen ist Grund für eine Lebenskriese, wenn andere feiern“, sagt Dr. Thomas Bolm.
Nützliche Tipps für ein glückliches Weihnachtsfest: Das sagt der Experte dazu:
Familienstreit
Erwartungen an die Familienharmonie, an Ruhe und Entspannung treffen auf Küchendienst, verunglückte Geschenke und auf das Bemühen, es Allen recht zu machen. Nicht selten eskalieren Familienkonflikte an Feiertagen. Nach der ersten Euphorie („wie schön, dich wiederzusehen“) kommen jetzt alte, häufig ungelöste Konflikte zum Vorschein. Das wäre okay, wenn man sie tatsächlich austragen würde. Doch Weihnachten herrscht meist Zwang zum friedvollen Miteinander, gar weihnachtlicher Waffenstillstand. Dr. Thomas Bolm: „Der Grund sind zu hohe Vorstellungen und Erwartungen. An andere Menschen und an sich selbst. Das Zusammensein mit der Familie soll unbedingt gut sein. Aber: Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Eigenarten treffen aufeinander. Man steht unter Druck. Und unter Druck verstärken sich viele Eigenschaften: Der eine organisiert, verbreitet Hektik. Der andere entspannt. Wichtig ist: Die Erwartungen an die Familie bewusst runterzuschrauben. Ungelöste Konflikte, die drohen zu eskalieren, vorher ansprechen. Die sollte man unbedingt langfristiger angehen. So kann Weihnachten im Kreise der Familie ein Fest der Harmonie werden.“
Einsamkeit und Lebenskrise
Vor allem das Thema Einsamkeit rückt in der Weihnachtszeit ganz nach oben. Wenn zum Beispiel erst vor kurzem der Ehemann ausgezogen ist oder die Mutter verstorben – schmerzt das Weihnachten besonders. „Wichtig ist es den Betroffenen zu vermitteln, dass es vielen Menschen ähnlich geht, dass viele Menschen einsam sind“, rät Dr. Bolm. Ein Blick in die Zeitung oder ins Internet zeigt, dass gerade an Weihnachten eine Menge los ist. Es gibt viele Möglichkeiten, Gleichgesinnte zu treffen. Zum Beispiel in der Kirchengemeinde oder beim Wohlfahrtsverband. Aber auch der Veranstaltungskalender vieler Lokalitäten zeigt, dass gerade an Heilig Abend viel los ist. Außerdem kann man sich einem Verein oder einer Freizeitgruppe anschließen – man sollte ganz gezielt Unternehmungen an Weihnachten planen. Der Experte: „Wichtig ist auch, Freunden und Bekannten gegenüber die eigene Scham zu überwinden und tatsächlich etwas gemeinsam zu planen. Man sollte nicht verlegen sein, die eigene Einsamkeit oder Traurigkeit offenzulegen, ruhig damit aus dem Schneckenhaus rauskommen. Viele Menschen sind wirklich froh, jemandem helfen zu können, gerade an Weihnachten.“
Wenn man dennoch allein bleiben möchte
Es ist wichtig zu überlegen, was an Weihnachten richtig ist. Denn auch Fröhlichkeit lässt sich nicht erzwingen. Sonst fühlt man sich unter Menschen vielleicht noch schlechter, als wenn man das Weihnachtsfest alleine verbringt. Nichts ist schlimmer als an diesen Tagen in Erinnerung zu versinken. Dann sollte man gegensteuern. Dr. Thomas Bolm: „Nach einer Trennung sollte man sich bewusst mit der Zeit, die man mit dem Anderen hatte, auseinandersetzen. Gerade das Bewusstmachen der schwierigen Zeiten macht einen Neuanfang leichter. Gefühle von Verlust und Trauer sind Weihnachten sehr stark. Doch wenn die Trauer nach über einem Jahr noch sehr groß ist, rate ich, Hilfe bei einem Psychologen zu suchen. Das gilt für Menschen, die durch Trauer lange eingeschränkt sind in der ihrer Fähigkeit, am Alltag teilzunehmen. Da ist professionelle Hilfe nötig und auch möglich.“
Bleibt man Weihnachten dennoch allein, sollte man sich selbst eine Freude machen. Es sollte auf jeden Fall etwas sein, was sie noch nicht kennen: ein dickes Buch oder ein Film, den sie noch nicht gesehen haben. Vielleicht ein Konzert oder ein Theaterbesuch. Dr. Thomas Bolm: „Auch Bewegung lenkt ab. So einfach es sich auch anhört. Ein Spaziergang in der freien Natur tut gut - möglichst bei Tageslicht. Letzteres ist vor allem in der dunklen Jahreszeit besonders wichtig, hilft es doch depressive Versimmungen und Angststörungen zu lindern, wenn nicht gar zu vermeiden.“
Wichtig ist auch ans Essen zu denken: Es muss kein Braten sein, wenn man gerne Pizza und Nudeln mag. Dazu ein Ei oder Salat – auch da gilt die Devise: Weniger sorgt für mehr Entspannung.
Es gibt noch weitere Tipps, um den Weihnachtsblues zu mildern.
Schaffen sie Zuhause einen Raum, in dem sie sich wohlfühlen. Kerze und Kuscheldecke können die Stimmung immer positiv beeinflussen. Dr. Bolm: „Licht gibt Hoffnung, das haben wissenschaftliche Studien ergeben. Auch der eigene Glaube – egal welcher – ist hilfreich. Das ist ebenfalls wissenschaftlich belegt. Menschen, die religiös sind, finden Halt und sind dadurch auch eher geschützt vor psychischen Erkrankungen. Für Menschen, die zweifeln empfehle ich, sich die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens zu stellen. Und viele positive Aspekte zu finden.
Trotzdem: Einsamkeit und Trauer bewusst zu durchleben – auch darin liegt auch eine große Chance. Man kann sehr gut erfahren was man braucht und was einem fehlt. So lassen sich viele gute Impulse für die weitere Zukunft gewinnen.
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