Neues EU-Erbschaftsteuerpaket - Vor- und Nachteile

Zur Vermeidung von Mehrfachbesteuerungen

Neues Erbschaftsteuerpaket der Kommission setzt auf freiwilligen Steuerverzicht der Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden EU-Erbfällen

 Deutsches Forum für Erbrecht sieht Realisierbarkeit kritisch

München, 10.05.2012: „Eines der 20 vordringlichsten Probleme“ bei der Entfaltung grenzüberschreitender Aktivitäten: So drastisch bezeichnet die EU-Kommission die Besteuerung grenzüberschreitender Erbfälle in der Europäischen Union. Grund dafür sind vor allem Mehrfachbesteuerungen und die steuerliche Ungleichbehandlung auslandsbezogener Erbfälle in den Mitgliedstaaten. Eine Lösung des Problems, das immer mehr EU-Bürger betrifft, erhofft die Kommission sich nun von einem neuen Erbschaftsteuerpaket mit Vorschlägen, die vor allem auf Zusammenarbeit und freiwilligen Steuerverzicht der Mitgliedstaaten setzen. Das Deutsche Forum für Erbrecht e.V. beleuchtet die Vorschläge kritisch.

18 von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union erheben derzeit spezielle Steuern auf den Vermögenserwerb von Todes wegen, darunter auch Deutschland. Damit hört die Gemeinsamkeit aber auch schon auf: Während einige Länder den ungeteilten Nachlass als solchen besteuern, stellen andere Staaten auf den Erben ab und erheben eine Erbanfallsteuer. Auch die Anknüpfungspunkte für die Steuerpflicht sind unterschiedlich: In manchen Ländern, darunter Deutschland, ist es der Wohnsitz bzw. der persönliche Aufenthalt, in anderen die Staatsangehörigkeit von Erblasser oder Erben. Gleichzeitig wird in manchen Mitgliedstaaten schon Erbschaftsteuer fällig, wenn sich nur ein Teil des Nachlasses (z. B. eine Ferienwohnung) dort befindet, ohne daß Erblasser oder Erbe einen sonstigen Bezug zu diesem Staat hatten. „Die Folge können Doppel- oder gar Dreifachbesteuerungen sein“, erklärt Dr. Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht und Fachanwalt für Erbrecht in München.

Ein Beispiel:

Ein Erblasser mit letztem Wohnsitz in Deutschland hinterläßt Bankguthaben in Spanien. Deutschland besteuert dies aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht des deutschen Erben, ebenso der spanische Fiskus, weil er jegliches Inlandsvermögen der beschränkten Steuerpflicht unterwirft. Eine nach deutschem Recht grundsätzlich mögliche Anrechnung von auf Auslandsvermögen bezahlter Erbschaftsteuer scheitert daran, dass das Bankguthaben in Spanien nicht als Auslandsvermögen im Sinne des deutschen Erbschaftsteuergesetzes gilt. „Der Erbe zahlt in diesem Fall doppelt Erbschaftsteuer für ein und denselben Nachlaßgegenstand“, erläutert Dr. Steiner.

Neben der Doppelbesteuerung können auch Ungleichbehandlungen von auslandsbezogenen Erbfällen zu einer höheren Belastung des Erben führen. Aktuell verfolgen viele Deutsche mit Finca auf Mallorca oder Ferienhaus auf Gran Canaria interessiert das Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien, das die EU-Kommission eingeleitet hat, weil Gebietsfremde und Auslandsvermögen nach spanischem Erbschaftsteuergesetz gegenüber Inländern und inländischem Vermögen benachteiligt werden. Auch deutsche Finanzämter wandten bis vor einigen Jahren bei der Bewertung von im Nachlaß enthaltenen Auslandsgrundstücken ein ungünstigeres Verfahren an als bei inländischem Grundbesitz. 2008 entschied der EuGH im Fall Jäger (C - 256/06), daß dies gegen den Grundsatz der Kapitalfreiheit verstößt.

Internationale Erbfälle nehmen zu

Von solchen Problemen sind mehr und mehr EU-Bürger betroffen: Die Zahl der auslandsbezogenen Erbschaften geht heute schon in die Hunderttausende, der ausländische Immobilienbesitz hat zwischen 2002 und 2010 um bis zu 50 Prozent zugenommen und immer mehr Menschen investieren ihr Geld in ausländische Portfolioanlagen. Die neue EU-Erbrechtsverordnung klammert die Problematik jedoch vollständig aus. Abhilfe schaffen könnten Doppelbesteuerungsabkommen, doch davon gibt es nur wenige: Deutschland hat innerhalb der EU lediglich mit Dänemark, Schweden, Frankreich und Griechenland einen solchen völkerrechtlichen Vertrag abgeschlossen.

EU-Erbschaftsteuerpaket soll entlasten

Die EU-Kommission setzt nun statt dessen auf Freiwilligkeit: Sie hat am 15.12.2011 ein Erbschaftsteuer-Paket angenommen, das auf Zusammenarbeit und freiwilligen Steuerverzicht der Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Erbfällen setzt. Gleichzeitig soll es EU-Bürger und Staaten über die Diskriminierungsproblematik aufklären. „Ziel der Empfehlungen ist es, daß die Gesamtbesteuerbelastung in einem Erbfall mit Auslandsbezug nicht höher ist als in einer rein inländischen Nachlaßsache“, erläutert Dr. Steiner.

Zur Vermeidung von Mehrfachbesteuerungen sollen die jeweiligen Mitgliedstaaten Rechtsakte oder Verwaltungsvorschriften erlassen. Darin sollen für grenzübergreifende Erbfälle Steuerermäßigungen, die Anrechnung von ausländischer Erbschaftsteuer oder gleich die Freistellung des Nachlasses von der inländischen Besteuerung vorgesehen sein.

Die Grundsätze des EU-Erbschaftsteuerpaketes im Detail: Grundbesitz und Immobilien sowie Betriebsvermögen sollen im Belegenheitsstaat besteuert werden, also dort wo sich das Vermögen befindet. Der Wohnsitzstaat des Erben bzw. Erblassers soll verzichten. Befindet sich sonstiges Vermögen in einem Mitgliedstaat, zu dem weder der Erblasser noch der Erbe eine persönliche Beziehung hatten – wie im Beispiel des deutschen Erblassers mit Bankkonto in Spanien –, soll trotzdem nur in dem Land besteuert werden, zu dem eine solche persönliche Beziehung besteht. Hatten Erblasser und Erbe eine jeweils unterschiedliche Verbindung zu einem Staat (Beispiel: Ein in Berlin lebender Deutscher vererbt sein Vermögen einem Franzosen aus Toulouse) soll der Erbenstaat die Besteuerung im Staat des Erblassers berücksichtigen.

Wenn Verbindungen zu mehreren Ländern bestehen (Beispiel: Ein deutscher Erblasser hatte seinen Wohnsitz in Frankreich, arbeitete aber in Belgien, der Erbe ist Italiener, lebt aber in den Niederlanden), sollen die zuständigen Finanzbehörden sich untereinander verständigen, wer in diesem Fall den Vortritt hat. Dabei sollen der Staat des Wohnsitzes oder des Lebensmittelpunkts den Vortritt vor dem Land der Staatsangehörigkeit haben.

Was die Ungleichbehandlung auslandsbezogener Erbfälle betrifft, analysiert die Kommission in einer Arbeitsunterlage die Rechtsprechung des EuGH zur erbschaftsteuerlichen Diskriminierung. Daraus ergeben sich folgende Prinzipien: Es verstößt gegen das Diskriminierungsverbot, im Ausland belegenes Vermögen höher zu besteuern oder zu bewerten als Inlandsvermögen. Ebenso ist es verboten, Personen aufgrund ihrer Gebietsansässigkeit steuerrechtlich anders zu behandeln. Auch Unternehmen dürfen nicht allein deshalb bevorzugt behandelt werden, weil sie im Inland geführt werden oder die Mitarbeiter dort ansässig sind. Die EU-Bürger werden auf Grundlage dieser Prinzipien dazu ermutigt, bei erbschaftsteuerlichen Diskriminierungen den Rechtsweg einzuschlagen. Die Kommission selbst behält sich vor, notfalls Vertragsverletzungsverfahren gegen die jeweiligen Staaten einzuleiten. Verbindliche europäische Erbschaftsteuerregelungen soll es aber nicht geben, vorerst zumindest.

Erbschaftsteuerpaket könnte Papiertiger werden

„Daß die EU-Kommission erkannt hat, daß es auch in einem grenzenlosen Europa immer häufiger zu erbschaftsteuerlichen Ungerechtigkeiten kommt, ist zu begrüßen“, sagt Dr. Steiner. Der Experte für Erbrecht ist jedoch skeptisch, ob sich das Erbschaftsteuerpaket tatsächlich durchsetzen läßt. „Die Vorschläge setzen zum Großteil auf Freiwilligkeit und könnten deshalb leicht zum Papiertiger werden“, sagt er.

An fiskalischen Begehrlichkeiten dürfte die Initiative eigentlich nicht scheitern: Laut EUKommission entfällt nur ein Anteil von rund 0,5 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen in den Mitgliedstaaten auf Erbschaftsteuern, grenzüberschreitende Sachverhalte machen demnach einen noch geringeren Anteil aus. „Für viele Erben würde das Ende von Doppelbesteuerung und Diskriminierung im Gegenzug aber eine große Entlastung bedeuten“, sagt Dr. Steiner. 

Betroffene sollten das Zepter selbst in die Hand nehmen

Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte seine Nachfolgeplanung aber auch künftig selbst in die Hand nehmen und nicht auf die prompte Umsetzung der Vorschläge der Kommission vertrauen. Durch juristisch saubere und ausgeklügelte Planung kann eine hohe steuerliche Belastung auch in Fällen mit Auslandsbezug vermieden werden, z. B. durch Schenkungen zu Lebzeiten oder durch die Umwandlung von Vermögen, wie etwa die Einbringung von inländischem Grundbesitz in eine ausländische Kapitalgesellschaft. „Betroffene sollten am besten frühzeitig fachmännischen Rat einholen“, rät Dr. Steiner.

Deutsches Forum für Erbrecht e.V.
Prannerstr. 6 · 80333 München
Präsident: Dr. Anton Steiner
Gründungspräsident: Prof. Dr. Klaus Michael Groll
Vizepräsidenten: Dr. Constanze Trilsch-Eckardt,
Dipl.-Kfm. Carl A. Gross
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