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Harald-Kolumne 4

Bereits in jungen Jahren engagierte ich mich aktiv für die sozialistische Gesellschaft und gründete mit einigen Mitsozialisten aus der engeren Nachbarschaft den Kegelklub „Glück auf“. „Geselliges Beisammensein mit sportlicher Betätigung und gepflegter Konversation zum Wohle des Volkes der Deutschen Demokratischen Republik und für den Weltfrieden“ – so oder ähnlich stand es in unserem Gründungsstatut. Die Namenswahl kam nicht von ungefähr, war man mit dem Bergmannsgruß „Glück auf“ doch immer auf der sicheren Seite. Natürlich hätte unser Kegelverein auch „Friedenstaube“, „Aktivist“ oder „Druschba“ (russisch: Freundschaft) heißen können, wie so viele Organisationen damals, aber mit „Glück auf“ konnten wir unsere Trinksprüche und „Alle-Neune-Trinkrunden“ am besten einleiten.

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„Glück auf“ stand also für „Prost“ und hielt sich bis zum Ende unseres Kegelvereins im Jahr 1 nach dem Mauerfall. Dann hatte plötzlich keiner mehr Zeit. Alle waren zu sehr damit ausgelastet schnell gute Bundesbürger zu werden. Schade für den Kegelklub, doch auch ich hatte auf einmal andere Sorgen. Der Verlag für den ich arbeitete hatte über Nacht Konkurrenz bekommen. Morgenpost, Bild – auf einmal interessierte sich jeder für Prinzessinnen und ihre Liebhaber. Auf der ersten und letzten Seite nackte Frauen. Ich war begeistert und wurde Abonnent, aus Recherchegründen natürlich. Unser kleiner Verlag wurde schließlich mit einem großen Hamburger Verlagshaus vereinigt und schon bald war nichts mehr übrig vom ursprünglichen Verlag. Während Bundeskanzler Dr. Kohl blühende Landschaften versprach, erklärte Dr. Rettig, der neue Verlagsboss, dass sich kein vernünftiger Unternehmer Wiedervereinigungsgeschenke leisten kann. Kurz darauf flatterten reihenweise Kündigungen in die Postfächer.
Ich hatte den Absprung schon eher eingeleitet. Auf einem Kongress wenige Monate nach dem Mauerfall lernte ich in Bergisch Gladbach die Vertreter eines erfolgreichen, familiengeführten Verlages kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich unterschrieb das Angebot recht schnell und war nun Gebietsverkaufsleiter Ost mit Homeoffice in meiner Stadt Dresden.

Tatsächlich blühten die Landschaften in meiner Umgebung, denn auch für Regina lief alles positiv. Die Wiedervereinigung brachte ihr eine Beförderung, einen neuen Chef aus Köln und damit den Karneval. Kölsche Kultur im ehemaligen Energiekombinat Dresden lies die Stadt erzittern, denn prompt Anfang Februar 1991 fiel die komplette Stromversorgung der Stadt für drei Stunden aus. Kein Problem für uns Sachsen. Wir sind ein gemütliches Volk. Da rückt man eben mal zusammen und isst einen oder zwei Berliner mehr. In Sachsen heißen die Berliner übrigens Pfannkuchen. Ich glaube das liegt daran, dass wir die privilegierte Stadt Berlin vor der Wende und ganz besonders den damaligen Berliner Fußballclub BFC nie so richtig leiden konnten. Ich weiß, in vielen Bundesländern werden Eierkuchen Pfannkuchen genannt. Bei uns in Sachsen werden Eierkuchen Eierkuchen genannt. So einfach ist das. Einen dünn geratenen Eierkuchen nennt man ja heutzutage Crepe. Das klingt durchaus elegant. Vielleicht denke ich ja etwas kleinkariert, aber muss man denn unbedingt so vielen Dingen einen Fremdnamen geben? In der DDR sagten wir Wurfpfeilschießen, heute heißt das DART. Eine Frisbeescheibe hieß bei uns einfach Schwebedeckel. Wir liefen oder rannten, aber wir joggten nicht. Gehen war und ist eine Olympische Disziplin. Was aber ist Walking? Federball spielte ich oft, allerdings wusste ich lange nicht was Badminton sein soll. Paragliding, Freeclimbing, Bungeejumping … – für einen wie mich, der in der Schule nur Russisch hatte, gar nicht so einfach. Dafür kenne ich immer noch das kyrillische Alphabet. Ich könnte theoretisch russische, ukrainische, weißrussische, bulgarische, serbische, mazedonische, kasachische, kirgisische, mongolische, tadschikische und einige andere slawische Texte lesen. Das macht mich sehr stolz. Verstehen würde ich natürlich nichts. Nur ein paar russische Wörter sind hängen geblieben. Aber was nützt mir das heute.

Ende Teil 4

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