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Harald-Kolumne 3
Zurück zum Frieden und Sozialismus: Frieden ist gut und Sozialismus konnte nichts Böses bedeuten. Eigentlich war mir Siebenjährigem schnuppe was Sozialismus ist, aber man kam an diesem Wort einfach nicht vorbei, hörte und sah man es schließlich täglich im Fernseher, im Radio und auf einem großen Schild im Eingangsbereich meiner Schule. Es konnten zwar viele meiner Artgenossen noch nicht lesen, aber netterweise veranstaltete die Schule extra für uns wissensdurstige Neu-Pennäler einen Fahnenappell. Es wurde feierlich die DDR-Fahne gehisst und ein Pionierlied erklang aus irgendwelchen Lautsprechern hinter drei lustigen Bronzeköpfen. In einer kurzen neunzigminütigen Ansprache des Direktors wurde uns nicht mehr ganz so begeisterten Neu-Pionieren der Satz auf dem Schild erklärt. Dort stand: Der Sozialismus siegt! Es wurde darüber referiert, warum der Sozialismus siegt und die Bronze-Herren Lenin, Marx und Engels kamen auch nicht zu kurz. Das Ganze hat sich eh keiner merken können. Was wohl hängen blieb, war das Wort Sozialismus. Man kam eben nicht daran vorbei. Was war das doch für eine unbeschwerte Zeit.
„ Noch einen Tee, junger Mann?“. Ich zucke heftig zusammen. Vera steht neben mir. „Um Gottes Willen. Ich bin ein Vorruheständler. Ein Vorruheständler in Gedanken. Da darf man sich nicht einfach leise anschleichen. So manch müdes Vorruheständlerherz verträgt das nicht“. Ich lächle Vera an. Sie schaut etwas irritiert und lächelt zurück. „Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken“. „Ach Quark, lassen Sie sich nicht veralbern“ gebe ich mit entschuldigendem Blick zurück. „ Ich bin Harald und mir schmeckt Ihr Tee ausgezeichnet. Ich nehme noch einen. Übrigens, danke für den „jungen Mann“. Ich merke mir so was“. Jetzt setzt Vera ein breites Grinsen auf. „Freut mich. Ich bin Vera und der Tee ist eine Hagebutten-Melisse-Mischung. Das steht so nicht in der Karte, ist aber noch keinem aufgefallen. Sie sind übrigens der erste, der diesen Tee bestellt. Ich hätte ihn fast von der Karte gestrichen.“
Sie hat eine erstaunlich selbstbewusste Art, denke ich mir. Nicht arrogant, einfach sicher und sanft mit ihrer Stimme und ihrer Mimik. Toll. „Na ich hoffe, dass der Tee nun im Stammaufgebot steht. Ich habe ihn schon mindestens zwanzigmal bestellt. Melisse, hmm, interessant. Wär ich nicht drauf gekommen“. „ Ist meine Idee gewesen“ sagt Vera stolz. Ich probiere gerne. Ich bin eine große Mischerin. Ich mische alles, was mir vor die Nase kommt. Nur hat mein Talent bisher noch niemand erkannt“. „ Ich schon, ich bestelle ja Ihre Kreation“. Ich gebe mir Mühe besonders spitzbübig zu schauen. „Danke“ sagt sie. „Wollen Sie noch ein Stück Kuchen?“. „Na klar, immer her damit. Haben Sie den auch gemischt?“ „Nein, den kaufen wir ein.“ sagt sie lachend, zieht ihr riesiges Portemonnaie und wendet sich zum kassieren dem Nachbartisch zu.
Hübsch, intelligent, ein bisschen aus der Form geraten. Was soll’s. Sie ist in einem Alter, in dem Frauen Reserven aufbauen müssen. Wir brauchen Nachwuchs. Die Nation setzt auf sie. Ob sie einen Freund hat? Verheiratet ist sie sicher nicht. Heutzutage wird nicht mehr so schnell geheiratet.
Regina hatte ich genau eineinhalb Jahre nach unserem ersten Rendezvous einen Antrag gemacht, sehr romantisch natürlich, in Ungarn am Balaton. Ich liebe Romantik, auch wenn das uns Männern oft nicht zugestanden wird. Ein von mir vorher bezahlter Geigenspieler, ein ungarisches Prachtexemplar aus der Puszta, kam zum richtigen Zeitpunkt an unseren Tisch und fiedelte filigran und durchaus angenehm auf seinem Kasten. Unser Tisch stand auf einer gemütlichen Terrasse eines alten Fachwerkhauses direkt am Balaton. Fackeln brannten, der Wein war unglaublich süffig und ich kniete im klassischen Stil vor Regina und öffnete die Schatulle mit dem Ring. Sicher hätte der Musiker seine lautstarke und grenzwertige Gesangseinlage noch etwas hinauszögern können, dann hätte ich meinen Antrag nicht so brüllen müssen. Dennoch, Regina war gerührt. Tränen standen in ihren Augen und ich glaube es war wegen meiner Worte und nicht wegen des inzwischen zu Höchstform aufgelaufenen Puszta-Mannes. Ihr „Ja“ hatte ich schon gar nicht mehr verstanden, aber ich war eh schon dabei den Ring an ihrem Finger zu platzieren. Der Puszta-Mensch war so begeistert, dass er einfach nicht von unserem Tisch weichen wollte. Wahrscheinlich hatte ich denn Mann für den ganzen Abend gemietet. Etliche Ungarische Forint später konnte ich den Mann an einem anderen Tisch unterbringen, weit weg von unserem. Es war jedenfalls ein sehr schöner und bedeutender Abend. Regina und ich, wir haben nichts bereut. Unsere Liebe ist von Jahr zu Jahr immer stärker geworden. Wir waren und sind ein absolutes Dreamteam. Wir verstehen uns blind.
Ende Teil 3
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