Gedichte über Tiere

Die Gäste der Buche (Rudolf Baumbach 1842 - 1905)

Mietegäste vier im Haus
Hat die alte Buche.
Tief im Keller wohnt die Maus,
Nagt am Hungertuche. Stolz auf seinen roten Rock
Und gesparten Samen
sitzt ein Protz im ersten Stock;
Eichhorn ist sein Namen. Weiter oben hat der Specht
Seine Werkstatt liegen,
Hackt und zimmert kunstgerecht,
Daß die Späne fliegen. Auf dem Wipfel im Geäst
Pfeift ein winzig kleiner
Musikante froh im Nest.
Miete zahlt nicht einer.

Versteckens (Franz Bonn 1830–1904)

Im Nachbarhof - o schöne Welt!
Mit Brettern, Stangen, Dielen,
Wie ist da alles vollgestellt,
Recht zum Versteckens spielen. Da ist ein Hügel, ein Mauerloch,
Ein kleiner Stall für Schweine,
Des Hundes Hütte und dazu noch
Die lustigen, großen Steine. Wie uns in stiller Seligkeit
Die Stunden da entschwinden -
Kein schönrer Fleck ist weit und breit
Auf dieser Welt zu finden! In allen Winkeln groß und klein
Die einen sich verstecken,
Die andern suchen aus und ein
An allen End´ und Ecken. Es folgen Hund und Vögelein
Dem fröhlichen Gewimmel.
O Kind, dir ist kein Raum zu klein,
Und jeder Raum ein Himmel!

Es sitzt ein Vogel (Wilhelm Busch 1832-1908)

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frisst,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.

Das Möwenlied (Christian Morgenstern 1871-1914)

Die Möwen sehen alle aus,
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen. Ich schieße keine Möwe tot,
ich lass sie lieber leben –
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben. O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Sofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.

Der Sperling und das Känguru (Christian Morgenstern 1871-1914)
In seinem Zaun das Känguru
es hockt und guckt dem Sperling zu. Der Sperling sitzt auf dem Gebäude
doch ohne sonderliche Freude. Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt,
wie ihn das Känguru beguckt. Der Sperling sträubt den Federflaus
die Sache ist auch gar zu kraus. Ihm ist, als ob er kaum noch säße
Wenn nun das Känguru ihn fräße?! Doch dieses dreht nach einer Stunde
den Kopf aus irgend einem Grunde, vielleicht auch ohne tiefern Sinn,
nach einer andern Richtung hin.

Die drei Spatzen (Christian Morgenstern 1871-1914)

In einem leeren Haselstrauch
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch. Der Erich rechts und links der Franz
und mitten drin der freche Hans.  Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!  Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.  Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

Der Panther (Rainer Maria Rilke 1875-1926)
Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf--. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille —
und hört im Herzen auf zu sein.

Die Eintagsfliege (Alois Wohlgemuth 1847-1930)

Im Jahr des Heils, am achten Mai,
Ward sie geboren früh um drei.
Die Kinder-, Schul- und Jugendzeit
Bis zur vollkomm’nen Mündigkeit
Beanspruchte zwei volle Stunden.
Kaum war sie reif zum Flug befunden,
Begann nach allgemeiner Mode
Bei ihr die Sturm- und Drangperiode;
Die währte bis es zehn Uhr war.
Die Sonne schien so warm und klar
Und weckte ihren Liebessinn:
Sie tollte, wirbelte dahin
In Glut durch Wälder, Tal und Flur
Bis gegen eindreiviertel Uhr
Und hat dabei den Keim gegeben
Zu manchem neuen Eintagsleben.
Um zwei Uhr trat schon Ruhe ein, -
Den Schwestern, welche erst um neun
Geboren, gab sie gute Lehren
Und kam zu Würden und zu Ehren.
Das währte bis um fünf; - danach
Ward sie allmählich altersschwach.
Voll war die siebte Stunde kaum,
Da fiel sie tot herab vom Baum –
Und hat an diesem Tag erfahren,
Was unsereins in siebzig Jahren.

Tierherbst (Klabund 1890-1928)

Schon balzt der Auerhahn,
In den Äckerrinnen frieren Kaninchen.
Eine Gemse stürzt in den Gießbach.
Der Frosch entschläft. Der Frost bereift die Flügel der letzten Fliege.
Der Fuchs ersehnt den hellen Winterpelz.
Geläut der Bäume, wenn die Blätter klingen.
Schlange raschelt durch totes Laub zum Bruder Strahl. Wolken stürzen sich weinend in die Arme.
Elend des Abschieds, wenn der Wind verweht.
Erinnerung beglänzt den Bescheidenen.
Der erste Schnee. Ich möchte sterben gehn.

Hasnleben (Scheinpflug)

Ein Hasn säß so gern im Walde,
sitzt statt dessen auf ner Halde.
Saftig grüner weicher Rasn,
alles nur im Traum des Hasn.

Schnelles rasen über die Wasn
ist nicht drin für'n kleinen Hasn.
Früher mal ein grünes Flur,
inzwischen nur noch Abfall pur.

Heimat ist der Müll geworden,
grüne Flächen nur im Traum.
ringsherum die Abfallhorden,
Hasnleben lohnt sich kaum.

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