Gedichte über Frauen

Brigitte B. (Frank Wedekind, 1864- 1918)

Ein junges Mädchen kam nach Baden,
Brigitte B. war sie genannt,
Fand Stellung dort in einem Laden,
Wo sie gut angeschrieben stand.
 
Die Dame, schon ein wenig älter,
War dem Geschäfte zugetan,
Der Herr ein höherer Angestellter
Der königlichen Eisenbahn.
 
Die Dame sagt nun eines Tages,
Wie man zu Nacht gegessen hat:
Nimm dies Paket, mein Kind, und trag es
Zu der Baronin vor der Stadt.
 
Auf diesem Wege traf Brigitte
Jedoch ein Individuum,
Das hat an sie nur eine Bitte,
Wenn nicht, dann bringe er sich um.
 
Brigitte, völlig unerfahren,
Gab sich ihm mehr aus Mitleid hin.
Drauf ging er fort mit ihren Waren
Und ließ sie in der Lage drin.
 
Sie konnt es anfangs gar nicht fassen,
Dann lief sie heulend und gestand,
Dass sie sich hat verführen lassen,
Was die Madam begreiflich fand.
 
Dass aber dabei die Tournüre
Für die Baronin vor der Stadt
Gestohlen worden sei, das schnüre
Das Herz ihr ab, sie hab sie satt.
 
Brigitte warf sich vor ihr nieder,
Sie sei gewiss nicht mehr so dumm;
Den Abend aber schlief sie wieder
Bei ihrem Individuum.
 
Und als die Herrschaft dann um Pfingsten
Ausflog mit dem Gesangverein,
Lud sie ihn ohne die geringsten
Bedenken abends zu sich ein.
 
Sofort ließ er sich alles zeigen,
Den Schreibtisch und den Kassenschrank,
Macht die Papiere sich zu eigen
Und zollt ihr nicht mal mehr den Dank.
 
Brigitte, als sie nun gesehen,
Was ihr Geliebter angericht',
Entwich auf unhörbaren Zehen
Dem Ehepaar aus dem Gesicht.
 
Vorgestern hat man sie gefangen,
Es lässt sich nicht erzählen, wo;
Dem Jüngling, der die Tat begangen,
Dem ging es gestern ebenso.

Wegewart! (Julius Wolff, 1834-1910)

Es wartet ein bleiches Jungfräulein
den Tag und die dunkle Nacht allein
auf ihren Herzliebsten am Wege,
wartet am Wege, Wegewart! Sie spricht: und wenn ich hier Wurzeln schlag'
und warten soll bis zum jüngsten Tag,
ich warte auf ihn am Wege,
warte am Wege, Wegewart! Vergessen hat sie der wilde Knab',
und wo sie gewartet, da fand sie ihr Grab,
ein Blümelein sprießet am Wege,
sprießet am Wege, Wegewart! Der Sommer kommt und der Sommer geht,
der Herbstwind über die Haide geht,
das Blümlein wartet am Wege,
wartet am Wege, Wegewart!

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