Burnout und Depressionen

Dr. Thomas Wobrock über die Ursachen von Burnout und Wege aus der Stressfalle

Warum wir ausbrennen

Groß-Umstadt, Oktober 2011. Burnout und Depressionen sind die neuen „Volkskrankheiten“, die wirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Jeder achte Ausfalltag ist heute auf Erschöpfungszustände und depressive Verstimmungen zurückzuführen.

Burnout ist keine „Managerkrankheit“

Entgegen dem landläufigen Vorurteil sind bei weitem nicht nur Top-Manager betroffen. Im Gegenteil: Menschen in sozialen Berufen, Beschäftigte in Sandwich-Positionen zwischen zwei Hierarchieebenen, Schichtarbeiter und Berufspendler erkranken am häufigsten am Burnout-Syndrom: „Gerade Menschen mit einem hohen Anspruch an sich selbst sind besonders gefährdet“, so Dr. med. Thomas Wobrock, Chefarzt am neuen Zentrum für Seelische Gesundheit in Groß-Umstadt. „Viele laden sich ein zu hohes Arbeitspensum auf, um mit dem Tempo der heutigen Arbeitswelt mithalten zu können, gestehen sich aber nicht ein, dass sie kürzer treten müssen. Das Ausbrennen geschieht schleichend, über Monate und Jahre und mündet schließlich in eine Depression.“

Angst vor Ablehnung häufigste Ursache für Burnout

An der Entstehung eines Burnout sind immer innere und äußere Faktoren beteiligt. Neben dem zunehmenden Stress im Arbeitsbereich beeinflusst auch das sogenannte Helfer-Syndrom den Ausbruch der Krankheit. Burnout-Betroffene waren anfänglich meist engagierte Mitarbeiter mit hohen Idealen. Denn nur wer entflammt war, kann ausbrennen. Dr. Wobrock glaubt, dass der eigentliche Grund für diese fortdauernde Überarbeitung die Suche nach Anerkennung ist. Indem sie so sehr auf ihre Außenwirkung fixiert sind, vergessen sie, nach innen zu horchen: “Das Problem ist nicht, dass die Betroffenen nicht Nein sagen können. Tatsächlich sagen sie ständig Nein, und zwar zu ihren eigenen Bedürfnissen. Die Patienten müssen lernen, sich genauso wichtig zu nehmen wie andere.” Es ist die ganz natürliche Angst vor Ablehnung, die die Betroffenen fleißig nicken lässt, bis nichts mehr geht. Die Erschöpfung nimmt Überhand. „Wichtig für den Behandlungserfolg ist die Früherkennung und Anerkennung der Krankheit, um so schnell wie möglich etwas dagegen zu tun“, so Wobrock.

Besondere teilstationäre Betreuung

Die neue psychiatrische Tagesklinik in Groß-Umstadt bietet Patienten eine besondere, so genannte teilstationäre Betreuung an: Patienten lassen sich von Montag bis Freitag tagsüber für maximal 40 Stunden pro Woche stationär behandeln, die Nächte und Wochenenden jedoch im gewohnten Umfeld verbringen. „Dieser Kompromiss ist besonders für Patienten geeignet, bei denen das psychische Erkrankungen schon im Frühstadium erkannt wurden“, erklärt Christian Keller, Leiter der Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg. Sollte in schweren Fällen eine stationäre Aufnahme nötig sein, stehen auch dafür 69 Betten zur Verfügung.

„Immer mehr psychische Erkrankungen in Hessen“


Portrait_Dr._Wobrock

Interview mit Herrn Privatdozenten Dr. Thomas Wobrock

Herr PD Dr. Wobrock, warum hat sich die Zahl der Patienten mit psychischen Erkrankungen so stark erhöht?


„Es ist schwierig zu sagen, ob die Anzahl der Menschen mit psychischen Erkrankungen wirklich zugenommen hat, zumindest haben die Krankschreibungen wegen psychischer Störungen zugenommen. Dies dürfte vor allem an der Zunahme von depressiven Verstimmungen liegen. Möglicherweise ist dies auch auf eine zunehmende Beschleunigung der Arbeitswelt und einem erhöhten Arbeitspensum, das sich der Einzelne auflädt, zu erklären. Viele können mit dem Tempo nicht mehr mithalten, aber gestehen sich nicht ein, dass sie kürzer treten müssen. Nach anfänglichem Gefühl von Stress geht dann irgendwann gar nichts mehr.“

 
 
Worin liegt der Unterschied zwischen dem Gefühl von Stress und einer depressiven Verstimmung?
 
„Wenn Sie unter negativem Stress leiden, sind Sie oft schon nach kurzer Erholung wieder fit. Bei einem Burnout zum Beispiel, das sehr oft zu schweren Depressionen führt, fühlen Sie sich jedoch dauerhaft erschöpft, haben keinerlei Lebensfreude sowie körperliche Energiereserven mehr, entwickeln also depressive Symptome. Dinge, die einem einst große Freude gemacht haben, werden nur noch als Belastung empfunden. Ziel unserer ganzheitlichen Behandlung ist jedoch nicht nur die rasche Beseitigung dieser Symptome und Erschöpfungszustände. Auch die Vermittlung eines differenzierten Krankheitsverständnisses unter Einbeziehung der persönlichen Lebensumstände ist wichtig, damit es nicht zu einem Rückfall kommt.“


Welche Therapiemöglichkeiten gibt es am neu eröffneten Zentrum für Seelische Gesundheit in Groß-Umstadt?

„Wenn die Symptome der Depression erst einmal deutlich auftreten, nützt auch eine ausgedehnte Erholungsphase nichts mehr: dann ist es Zeit für eine Behandlung. In einem frühen Stadium der Krankheit finden Betroffene Hilfe in einer teilstationären Therapie: Sie besuchen tagsüber die Klinik, verbringen jedoch die Nächte in ihrer gewohnten Umgebung. In einem fortgeschrittenerem Stadium dagegen, insbesondere wenn bereits starke psychische und physische Beeinträchtigungen durch die Depression vorhanden sind, ist neben einer stationären Behandlung auch langfristige professionelle psychologische Beratung und Therapie notwendig. Ich wünsche mir für die Zukunft des neuen Zentrums für Seelische Gesundheit, dass wir den Patienten noch mehr flexible Behandlungsmöglichkeiten (stationär, ambulant, tagesklinisch) eröffnen können.“ 


Was ist Ihr persönliches Credo?

„Bei aller Ökonomisierung der Medizin, die zurzeit verstärkt auch in der Psychiatrie stattfindet, steht für mich der Mensch nach wie vor im Mittelpunkt. Ich bin der Meinung, dass man sich vor allem an den medizinischen Notwendigkeiten und den Bedürfnissen der Patienten orientieren sollte, nicht nur an wirtschaftlichen Erwägungen. Wir wollen unsere Arbeit gerne und mit Leidenschaft machen - dies kommt auch den Patienten zugute.“

 

Über das Zentrum für seelische Gesundheit

Das Zentrum für seelische Gesundheit an den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg sichert den Bewohnern des Landkreises ein gemeindenahes Therapieangebot, steht aber mit seinen spezifischen Angeboten zur Therapie und Diagnostik psychischer Erkrankungen auch überregional Betroffenen zur Verfügung. Es verfügt über 69 Betten, 17 tagesklinische Plätze und eine psychiatrische Institutsambulanz.


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